Die letzte Nacht war sehr heiß, man kann sich praktisch gar nicht zudecken, ohne zu schwitzen. Trotz Mückenschutz (Nobite) wurde ich die letzen Tage mehrfach an den Füßen gestochen. Allerdings zum Glück nur tagsüber, da ist die Malariamücke nicht aktiv, dafür die Dengue-Fieber-Mücke, was also auch kein wirklicher Trost ist. Nachts bieten uns Fliegengitter an Türen und Fenstern einen guten Mückenschutz. Nun sind wir also hier zu viert im Projektaus – ausgenommen der beiden Haushälterinnen und des Nachtwächters, der stets draußen vor dem Haus in einer Hängematte mit Moskitonetz übernachtet. Das Grundstück des Projekthauses ist durch einem schweren Metallzaun mit Rolltor gesichert. Das Tor wird bei jedem Verlassen mit einem großen Metallschloss verschlossen, darauf achten die Haushälterinnen peinlichst genau. Nicht wegen etwaiger Einbrecher, sondern wegen der bösen Geister – von deren Existenz man hier fest überzeugt ist.
Nach dem Frühstück beschließen wir dem Deutschen Entwicklungsdienst einen Besuch abzustatten. Frau Karin Schinken, die wir am Vorabend kennengelernt haben, empfängt uns in ihrem klimatisierten Büro auf dem Gelände der Apsarabehörde. Frau Schinken stammt aus Hildesheim, ist ausgebildete Steinmetzin und hat nach der Ausbildung ein Studium in Steinrestaurierung absolviert. Sie führt uns durch das Gelände. Vorbei am Projekthaus der indischen Restauratoren und an historischen Skulpturen und Fragmenten, geht es dann zum Werkplatz der Steinmetze und Steinbildhauer.In der überdachten Werkhalle sind mehrere sitzende Buddhas in Arbeit. Allerdings ist wohl gerade Pause, so dass wir dort niemanden antreffen.
Während des Mittagessens im Projekthaus teilt uns Emmeline mit, dass wir mit den Vorarbeiten für den Buddha am Westgate in jedem Fall beginnen sollten. Das bedeutet: Die Auswahl der Steine für die Teilergänzungen an den beiden Beinen sowie die Vermessung am Original und Fertigung der Schablonen. Auch die Herstellung der Teilergänzungen könnte bereits erfolgen. Lediglich für das Anfügen der Ergänzungen am Original sollte die Genehmigung abgwartet werden. Nach dem Mittagessen fahren wir dann gemeinsam zum Materiallager der Apsara-Gesellschaft und reservieren uns geeignetes Steinmaterial. Bei dieser Gelegenheit können wir auch einen Blick auf die Siebmaschine der GACP werfen, des wohl wichtigsten Geräts zur Herstellung des Restauriermörtels. Nachdem die die Steine in einer Brechmaschine zu Sand zerkleinert wurden durchlaufen sie die Siebmaschine. Das Ergebnis sind dann Sande in unterschiedlichen aber sehr exakten Körnungen, die dann untereinander so gemischt werden, dass die Sieblinie den Erfordernissen entspricht.
Als Bindemittel kommt hier ausschließlich Kieselgel zu Anwendung. Der Restauriermörtel wird am Angkor Wat für Anböschungen, Verfüllungen, Hinterspritzungen Antragungen usw. verwendet. Dort treffen wir jetzt auch die Steinmetze und Bildhauer bei der Arbeit an. Gearbeitet wird entweder im Stehen oder ebenerdig im Sitzen. Den Vorschriften der Berufgenossenschaft entsprechen die Arbeitsbedingungen allerdings nicht. Keiner trägt eine Schutzbrille, ganz zu schweigen von Gehörschutz oder Sicherheitsschuhen.
Nach dem Mittagessen fahren wir dann gemeinsam mit Emmeline und einem Khmer-Mitarbeiter als Fahrer mit dem Pickup-Truck zum Angkor Wat um dort das exakte Aufmaß an der Buddhastatue zu nehmen: Zum Prozedere des Aufmaßes:
Mit einem Profilkamm werden zunächst die Originalkonturen im Bereich der Brüche abgegriffen sowie auch alle relevanten Horizontalquerschnitte des intakten Beines ermittelt und diese dann anschließend auf Papier übertragen. Mit der gleichen Technik werden auch die vertikalen Konturen (Rück- und Vorderseitiger sowie linker und rechter Konturenverlauf) des intakten Beines abgegriffen und zeichnerisch auf Papier übertragen. Die Zeichnungen dienen dann zur Herstellung der Schablonen, mittels derer die Stücke dann in der Werkstatt weitgehend vorgefertigt werden können.
Abends dann Kameradaten (Fotos und Videos) auf die Festplatten ziehen, Bilder bearbeiten, Blog schreiben und skypen: mit Cosima in Ansbach und mit Elke, die die Firma in Dresden besetzt. Ist schon unglaublich, was die Technik alles möglich macht.